Delegierter fÜr Opfer von fÜrsorgerischen Zwangsmassnahmen

Luzius Mader - Delegierter für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen
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MEDIENMITTEILUNG

21. März 2014

Umfassendes Massnahmenpaket des Runden Tisches in Vorbereitung

Der Runde Tisch für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen hat heute an seiner vierten Sitzung in Bern die Grundzüge des Schlussberichts diskutiert, den er Anfang Juli zuhanden der politischen Behörden verabschieden wird. Kernstück des Berichts ist ein umfassendes Massnahmenpaket für die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Schweizer Sozialgeschichte. Dazu gehören insbesondere eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung und die Information der Bevölkerung über die Resultate sowie die Schaffung eines Solidaritätsfonds, womit der Staat das begangene Unrecht anerkennen und seinen Willen zur Wiedergutmachung bekunden soll.

Verschiedene Massnahmen sind bereits umgesetzt oder in die Wege geleitet worden. Die Anerkennung des begangenen Unrechts erfolgte namentlich durch zwei Gedenkanlässe, die Einsetzung des Runden Tisches durch Bundesrätin Simonetta Sommaruga vor einem Jahr und das heute von der Bundesversammlung verabschiedete Bundesgesetz über die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen. Zudem sind kantonale Anlaufstellen geschaffen worden, welche die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen beraten und betreuen. Weiter wird ein Fonds für Soforthilfe errichtet, um Betroffene zu unterstützen, die sich gegenwärtig in einer finanziellen Notlage befinden. Ferner hat die Schweizerische Archivdirektorenkonferenz Empfehlungen ausgearbeitet, die den Betroffenen die Einsicht in ihre Akten erleichtern sowie die zuständigen Behörden für deren Anliegen sensibilisieren.

Solidaritätsfonds - ein Beitrag zur Wiedergutmachung

Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der Sensibilisierung der Gesellschaft sieht das Massnahmenpaket auch finanzielle Leistungen zugunsten der Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vor. Der Runde Tisch hat sich an seiner heutigen Sitzung für die Schaffung eines Solidaritätsfonds ausgesprochen. Dieser Fonds geht vom Kerngedanken aus, dass der Bund, die Kantone und die Gemeinden anerkennen, dass den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen Unrecht geschehen und grosses Leid widerfahren ist. Der Staat soll sich nicht nur mit Worten bei den Opfern entschuldigen, sondern auch seinen Willen zur Wiedergutmachung bekräftigen. Die Finanzierung des Solidaritätsfonds ist hauptsächlich Aufgabe des Staates. Doch auch private Organisationen und Institutionen sowie Unternehmen und Privatpersonen können zur Finanzierung beitragen.

Gemäss den vom Runden Tisch festgelegten Grundzügen sollen die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen sowie anderer Fremdplatzierungen finanzielle Leistungen erhalten. Als Opfer gelten Personen, deren physische, psychische, geistige oder sexuelle Integrität durch solche Massnahmen verletzt worden ist. Zu denken ist dabei etwa an Verletzungen durch physische oder psychische Gewalt, sexuellen Missbrauch, wirtschaftliche Ausbeutung, Zwangsmedikation, Medikamentenversuche, Behinderung der persönlichen Entwicklung oder gesellschaftliche Stigmatisierung.

Verbindliche Aussagen zur Höhe der verfügbaren Geldmittel erscheinen dem Runden Tisch heute verfrüht. Er geht davon aus, dass die Bundesversammlung und die zuständigen Organe der Kantone, Gemeinden, Institutionen bei ihren Entscheiden über finanzielle Leistungen die Ergebnisse der historischen Aufarbeitung und die praktischen Erfahrungen mit der Soforthilfe berücksichtigen werden. Die Situation der Opfer soll nicht nur durch Zahlungen aus dem Solidaritätsfonds, sondern auch durch Sozialversicherungsleistungen verbessert werden. So könnten beispielsweise bei der AHV fehlende Beitragsjahre ausgeglichen oder aufgrund von Gesundheitsschäden Leistungen der IV entrichtet werden.

Nach Ansicht des Runden Tisches soll für alle Opfer ein einheitlicher Betrag aus dem Solidaritätsfonds ausgezahlt werden. Auf eine Abstufung der Beträge soll verzichtet werden, um unergiebige Diskussionen zu vermeiden, wer stärker und wer weniger stark von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen oder anderen Fremdplatzierungen betroffen gewesen ist.

Soforthilfe-Zahlungen zur Überbrückung

Der Solidaritätsfonds und verschiedene andere Massnahmen etwa im Bereich der Sozialversicherung und der Opferhilfe setzen die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage voraus, was drei bis vier Jahre dauern wird. Aus diesem Grund hat der Runde Tisch die Errichtung eines als Überbrückungshilfe konzipierten Soforthilfefonds vorangetrieben. Gesuche für Soforthilfe können ab Juni an den Runden Tisch gerichtet werden, der die Prüfung und Beurteilung der Gesuche organisiert. Dabei wird auch abgeklärt, ob andere Möglichkeiten zur Verbesserung der finanziellen Situation ausgeschöpft worden sind. Gesuche, welche die Voraussetzungen für die Leistung von Soforthilfe erfüllen, werden an die Glückskette weitergeleitet. Die Glückskette entscheidet formell über die Gesuche und wird ab September Auszahlungen aus dem zeitlich befristeten Soforthilfefonds vornehmen können.